Mara
Es gibt schlimmeres als körperliche Verwahrlosung .,...... Niemanden zu haben ,der sich um einen kümmert ; ein leben ohne Kontakte zur Außenwelt ; dabei verwahrlost die Seele ! Man kann es nicht herauswaschen wie Schmutz auf der Haut.......
Mara ,der erst zweijährige ,zierliche Schäferhund ,war kein eigenständiges Lebewesen mehr. Alle normalen Emfindungen und Gefühle waren ausgeschaltet; der Kontakt zur Umwelt unterbrochen. Nur durch Schmerz schien sie sich selbst beweisen zu können,daß sie überhaupt noch lebte ; in einer welt ,die niemand durchdringen konnte ......
Als ich sie das erste Mal sah,dachte ich mir noch nichts dabei, daß sie ihrem Schwanz nachjagte. Ich war gerade aus dem Urlaub zurück und Mara schon 14 tage im Zwinger. Ich wußte zu dem Zeitpunkt noch nicht ,daß der Hund nicht etwa verspielt,sondern im höchsten Maße verhaltensgestört war. Aber sehr bald wurde mir das ganze Ausmaß des Problems bewußt. Mara reagierte auf nichts . Spazieren gehen konnte man nicht mit ihr. Sie drehte sich nur dabei .Im Auslauf stand sie in der Ecke und hielt ihren Schwanz fest. Selbst frei im Gelände wußte sie nichts besseres, als sich ständig zu drehen.
In den Akten stnd ,daß Mara in einem unbenutzten badezimmer aufgewachsen war. Sie hatte nie die Welt draußen kennengelernt ,und nie hatte sich jemand mit ihr beschäftigt . Sie kannte nichts , hatte keinerlei Kontakt zu ihrem "Halter". Irgendwann hatte sie wohl angefangen ,ihren Bewegungsdrang mit ständigem "um die eigene Achse drehen" zu befriedigen , und den eigenen Schwanz als Ersatz für soziale Kontakte anzusehen . Und nun war sie gefangen in sich selbst .
Ein Tier von einem solch extremen Zwingerkoller zu befreien , braucht unendlich viel Zeit und Geduld. Mara machte es mir wirklich schwer. Selbst während der Zwingersäuberung ließ ich sie mitlaufen . Sie stand dann irgendwo und biß sich in den Schwanz.Ich streichelte sie und sprach mit ihr . Sie hielt nur ihre Rute fest und weinte leise,weil es ihr selbst weh tat. Ich wedelte mit Wurst udn anderen leckeren Sachen vor ihrer Nase herum .Sie registrierte es gar nicht. Ihr Futter fraß sie hastig und immer wieder unterbrechend ,um den Schwanz zu packen. Ich nahm sie mit zu mir und meinen eigenen Hunden. Sie rannte ; sich drehend durch die Wohnung ,so daß einem schwindlig werden konnte , und diverse Einrichtungsgegenstände hermflogen . Ich gessellte ihr einen lustigen jungen Rüden zu ,der es bald aufgab,sie zum spielen aufzufordern. Meinen Hunden ging ihre ständige Unruhe inzwischen so auf die Nerven ,daß ich sie nicht mehr mit zu mir nehmen konnte . Nach Feierabend machte ich einen 1-2-stündigen Spaziergang mit meinem Problemhund. Wenn ich sie dabei zügig hinter mir herschleifte ,ging es. Aber ein unbedachter Augenblick genügte , und ich brachte die Hündin um keinen Preis dazu ,ihren Schwanz loszulassen. An fremden Hunden ,Kaninchen oder was auch immer zeigte sie nicht das geringste Interesse. Ich versuchte sie zu fordern, ihr kleine Kommandos beizubringen ; irgendetwas... nichts fruchtete. Irgendwann glaubte ich schon selbst nicht mehr daran ,daß es überhaupt Sinn hatte ,was ich tat....Es war immer wieder das Gleiche ... Mara stadn entweder in der Ecke und jammerte leise,denn ihre Rute war blutig gebissen , und trotzdem grub sie ihre Zähne immer wieder hinein. Oder sie raste ,sich wie verrückt drehend herum , knallte ohne Rücksicht gegen sich selbst gegen Zäune und Mauern ,um irgendwann vor Erschöpfung zitternd und schwindlig geworden , liegen zu bleiben. Es war eine gnadenlose Selbstzerstörung.
Durch Zufall sah ich eines Tages durch ein Fenster , daß Mara sich nicht , wie gewohnt drehte,sondern am Tor stand und in die Richtung starrte ,aus der ich zu kommen pflegte. Es war die Zeit für unseren Spaziergang ! Bekam die Mauer um ihr Herz etwa endlich Risse ?????
Es wäre übertrieben zu sagen ,daß nun alles auf einmal leichter wurde . Es dauerte noch lange , bis sie sich streicheln ließ, dabei ruhig stand und meine Liebkosung als Solche auch empfand. Die erste Hürde war genommen ,als die Hündin meine Zuneigung annahm und erwiderte. Zögernd stellte sie sich dem Leben ! was sie nin brauchte ,war ein richtiges Zuhause . Ihre Vermittlung war nicht einfach , doch irgendwann fanden sich Menschen , die die Verantwortung auf sich nahmen ; die bereit waren ,sich dem Problem ,das ja noch immer nicht ganz behoben war,zu stellen.